Organisation C. (German Edition) by Kunz Gunnar

Organisation C. (German Edition) by Kunz Gunnar

Autor:Kunz, Gunnar [Kunz, Gunnar]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Sutton Verlag
veröffentlicht: 2006-12-31T23:00:00+00:00


16

Musik durchdrang das Haus, Beethovens Trio in B-Dur. Der Cellist, ein für den Abend engagierter Berufsmusiker, beherrschte sein Instrument souverän, Einstein geigte selbstversunken neben ihm und Planck strahlte die Zuhörer an, während seine Finger über die Tasten des Klaviers huschten. Die Stimmung ließ niemanden unberührt, und der eine oder andere Patzer Einsteins tat dem Genuss keinen Abbruch.

In Augenblicken wie diesen hätte Diana die ganze Physik hergegeben, wenn sie dafür ein Instrument beherrschen würde, Klavier oder Geige oder wenigstens Flöte. Aber sie konnte ja nicht mal anständig auf dem Kamm blasen! Gelegentlich spielte sie mit dem Gedanken, Unterrichtsstunden zu nehmen, aber sie kannte sich gut genug, um zu wissen, dass sie den langweiligen Teil nicht durchstehen würde, die Notenleitern und Fingerübungen. Monotonie würde ihr das Musizieren verleiden. Da blieb sie lieber enthusiastische Zuhörerin.

Das Stück endete. Zwei, drei Sekunden wirkten die verhallenden Töne nach, dann wurde frenetisch applaudiert.

Die illustre Gesellschaft, die im Hause von Max Planck zusammengekommen war, bestand nicht nur aus Physikern; es gab auch zwei Chemiker, einen Mediziner und Künstler aus der Nachbarschaft. Lise Meitner war da, Otto Hahn, Hans Delbrück, Karl Bonhoeffer und andere bekannte Gesichter. Die Häufung prominenter Persönlichkeiten überraschte Diana nicht weiter, schließlich wohnte in der Villenkolonie Grunewald alles, was Rang und Namen besaß.

Rathenau, der mit Planck während des Krieges im Kulturbund zusammengearbeitet hatte, war erst vor wenigen Minuten eingetroffen und leise hereingeschlichen, um den Musikgenuss nicht zu stören. Jetzt begrüßte er die anderen Gäste und plauderte mit diesem oder jenem. Thema des Tages war keineswegs die Teilung Oberschlesiens, die heute vollzogen wurde, sondern die bevorstehende Jahrhundertfeier der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, mit der Max Planck als diesjähriger Vorsitzender die Zusammengehörigkeit der Gelehrten stärken wollte.

Auch die deutsch-holländische Expedition, die Einsteins Relativitätstheorie experimentell bestätigen und zu diesem Zweck im September die Sonnenfinsternis in Ostindien beobachten sollte, wurde lebhaft diskutiert. Das wird Einsteins Feinden hoffentlich den Mund stopfen!, dachte Diana. Leuten wie dem Physiker Philipp Lenard, die über den „jüdischen Weltbluff“ herzogen und sich in einer Arbeitsgemeinschaft deutscher Naturforscher zur Erhaltung reiner Wissenschaft organisierten, von Einstein spöttisch als „anti-relativitätstheoretische GmbH“ apostrophiert. Deprimierend, dass eine wissenschaftliche Debatte heutzutage auf einem solchen Niveau geführt werden musste!

Sie sah zu Einstein hinüber. Er lachte und fühlte sich im Kreise seiner Kollegen sichtlich wohl. Aber sie wusste, dass die Hetze nicht spurlos an ihm vorbeiging. „Ich komme mir vor wie jemand, der in einem guten Bett liegt, aber von Wanzen geplagt wird“, sagte er oft.

Diana hätte Professor Planck gern nach seiner Meinung zur Theorie dieses Meteorologen befragt, Alfred Wegener, der behauptete, die Kontinente würden sich im Laufe der Geschichte verschieben, gewissermaßen wie riesige Schollen über den Ozeanboden rutschen. Im Tageblatt war vor einigen Tagen ein Artikel darüber erschienen. Die meisten Gelehrten lehnten seine Theorie ab. Sicher, die Symmetrie der Küstenlinien von Afrika und Südamerika schien die These zu stützen, aber wandernde Festländer? Wegener hatte Vorlesungen bei Planck besucht, soviel Diana wusste, vielleicht konnte der Professor darüber Auskunft geben, ob der Mann ein Spinner oder ein ernsthafter Wissenschaftler war. Doch dann schüttelte sie den Kopf.



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